Was ist Lehrlingsmediation?
Lehrlingsmediation ist ein gesetzlich geregeltes außergerichtliches Verfahren, in dem Lehrberechtigte und Lehrling unterstützt werden, bestehende Konflikte im Lehrverhältnis gemeinsam zu klären und tragfähige Lösungen zu finden.
Das Verfahren wird von einer neutralen, gemäß Zivilrechts-Mediations-Gesetz eingetragenen Mediatorin oder einem Mediator geleitet. Ziel ist es, den Fortbestand des Lehrverhältnisses zu ermöglichen und unnötige Eskalationen wie eine vorschnelle Beendigung zu vermeiden.
Rechtlicher Rahmen der Mediation nach § 15a BAG
Das Berufsausbildungsgesetz sieht die einseitige Auflösungsmöglichkeit des Lehrverhältnisses für Betriebe und Lehrlinge vor. Besonders zu beachten sind hier die genau einzuhaltenden Fristen.
BAG
§ 15a. (1) Sowohl der Lehrberechtigte als auch der Lehrling können das Lehrverhältnis zum Ablauf des letzten Tages des zwölften Monats der Lehrzeit und bei Lehrberufen mit einer festgelegten Dauer der Lehrzeit von drei, dreieinhalb oder vier Jahren überdies zum Ablauf des letzten Tages des 24. Monats der Lehrzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat einseitig außerordentlich auflösen. […]Berufsausbildungsgesetz – BAG (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006276)
Besondere Aufmerksamkeit sollte auf die fristgerechte Bekanntgabe des Mediationswunsches und den rechtzeitigen Beginn der Mediation gerichtet werden, da andernfalls eine Auflösung nach § 15a unwirksam wäre.
BAG § 15a. (3) Die außerordentliche Auflösung des Lehrverhältnisses durch den Lehrberechtigten ist nur dann wirksam, wenn der Lehrberechtigte die beabsichtigte außerordentliche Auflösung und die geplante Aufnahme eines Mediationsverfahrens spätestens am Ende des neunten bzw. 21. Lehrmonats dem Lehrling, der Lehrlingsstelle und gegebenenfalls dem Betriebsrat sowie dem Jugendvertrauensrat mitgeteilt hat und vor der Erklärung der außerordentlichen Auflösung ein Mediationsverfahren durchgeführt wurde und gemäß Abs. 6 beendet ist. […]
Berufsausbildungsgesetz – BAG (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006276)
BAG § 15a. (5) […] Der Lehrberechtigte hat den Mediator spätestens am Ende des zehnten Lehrmonats bzw. am Ende des 22. Lehrmonats zu beauftragen. […]
Berufsausbildungsgesetz – BAG (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006276)
Gleichwohl regelt das BAG auch das Ende der Lehrlingsmediation, wodurch für alle Seiten eine klares und transparentes Regelwerk für diese besondere Form der Mediation vorgeben ist.
BAG § 15a. (6) Das Mediationsverfahren ist beendet, wenn ein Ergebnis erzielt wurde. Als Ergebnis gilt die Bereitschaft des Lehrberechtigten zur Fortsetzung des Lehrverhältnisses oder die Erklärung des Lehrlings, nicht weiter auf der Fortsetzung des Lehrverhältnisses zu bestehen. Das Mediationsverfahren ist auch beendet, wenn der Mediator die Mediation für beendet erklärt. Das Mediationsverfahren endet jedenfalls mit Beginn des fünften Werktages vor Ablauf des elften bzw. 23. Lehrmonats, sofern zumindest ein Mediationsgespräch unter Beteiligung des Lehrberechtigten oder in dessen Vertretung einer mit der Ausbildung des Lehrlings betrauten Person stattgefunden hat.
Berufsausbildungsgesetz – BAG (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006276)
In welchen Situationen ist Lehrlingsmediation sinnvoll?
Überall dort, wo die Zusammenarbeit zwischen Lehrling und Betrieb spürbar ins Stocken gerät oder Konflikte offen zutage treten, lohnt sich eine Lehrlingsmediation. Typische Anlässe sind Kommunikationsprobleme, Missverständnisse über Leistungsanforderungen, persönliche Spannungen zwischen Lehrling und Ausbilder:in oder zwischen Lehrling und dem Team. Auch bei Themen wie häufigen Fehlzeiten, fehlender Motivation, Mobbing oder interkulturellen Missverständnissen bietet Mediation einen strukturierten und geschützten Rahmen, in dem die Beteiligten ihre Sichtweisen offenlegen und neue Lösungen erarbeiten können.
Ziel ist es dabei nicht, Schuldige zu suchen, sondern Zukunftsperspektiven zu schaffen, die für beide Seiten tragbar sind — und im besten Fall eine erfolgreiche Fortsetzung der Lehre ermöglichen.
Lehrlingsmediation ist nicht nur sinnvoll, wenn bereits eine Auflösung im Raum steht – sie kann gerade dann wirksam sein, wenn Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden sollen, um eine positive Entwicklung im bestehenden Lehrverhältnis zu ermöglichen.
Chancen & Vorteile der Lehrlingsmediation
Lehrlingsmediation eröffnet die Chance, Konflikte im Lehrverhältnis konstruktiv zu bearbeiten, bevor sie unumkehrbar eskalieren. Für den Betrieb bedeutet das: Fachkräfte von morgen werden nicht unnötig verloren, und die oft kosten- und zeitintensive Suche nach Ersatz entfällt. Lehrlinge wiederum erleben, dass ihre Anliegen ernst genommen werden — ein wichtiger Beitrag zur Bindung und Motivation junger Talente. Mediation stärkt zudem die Kommunikationskultur im Betrieb, fördert gegenseitiges Verständnis und unterstützt alle Beteiligten dabei, Verantwortung für eine tragfähige Zusammenarbeit zu übernehmen. Nicht zuletzt kann eine gelungene Mediation rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden und das Image des Unternehmens als fairer Ausbilder stärken.
Ablauf einer Lehrlingsmediation
Der Ablauf einer Lehrlingsmediation ist klar strukturiert und bietet allen Beteiligten einen sicheren Rahmen. Zu Beginn findet eine sorgfältige Vorbereitung statt: Der Betrieb schlägt eine eingetragene Mediatorin oder einen Mediator vor und informiert die Beteiligten transparent über den Prozess. In Einzelgesprächen werden zunächst die Sichtweisen beider Seiten geklärt und Erwartungen erhoben.
Im anschließenden gemeinsamen Mediationsgespräch — bei Minderjährigen unter Einbindung der gesetzlichen Vertreter:innen und auf Wunsch einer Vertrauensperson des Lehrlings — erarbeiten die Parteien gemeinsam Lösungen für die bestehenden Konflikte. Die Mediatorin bzw. der Mediator leitet den Prozess neutral und achtet darauf, dass alle Stimmen gehört werden.
Am Ende steht eine verbindliche Vereinbarung oder ein gemeinsames Verständnis darüber, wie die Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann. Eine Nachbetreuung kann sinnvoll sein, um die Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen zu begleiten und nachhaltige Veränderungen abzusichern.
Die Mediation hat auch rechtliche Wirkung, wenn kein Ergebnis erzielt wird oder sie abgebochen wird!
Was bewirkt die Mediation rechtlich?
Eine außerordentliche Auflösung eines Lehrverhältnisses durch den Lehrbetrieb ist nur zulässig, wenn zuvor eine Lehrlingsmediation durchgeführt und abgeschlossen wurde (§ 15a BAG).
Die Mediation muss kein Einvernehmen erzielen. Nach Abschluss kann der Lehrbetrieb — wenn notwendig — das Lehrverhältnis einseitig auflösen. Ohne absolvierte Mediation wäre diese Auflösung unwirksam.
Beispiele aus der Praxis
Vom fremdbestimmten Start zum passenden Beruf
Ein Lehrling im ersten Lehrjahr war unmotiviert und zeigte deutliche Widerstände im Alltag. Im Mediationsgespräch stellte sich heraus: Er wollte diesen Beruf nie lernen — die Eltern hatten ihn dazu gedrängt. In der Mediation wurde nicht nur dem Betrieb, sondern auch den Eltern bewusst, dass ihr Weg die Bedürfnisse ihres Kindes missachtet hatte und das gewünschte Ziel — ein erfolgreicher Lehrabschluss — unter diesen Voraussetzungen nicht erreichbar war.
Ergebnis: Auflösung, mit Unterstützung und Empfehlung an einen befreundeten Betrieb im Wunschberuf des Lehrlings. Damit wurde eine saubere Lösung für alle Beteiligten gefunden — und dem jungen Menschen ein echter Neustart ermöglicht.
Falsch verstandene Motivation — und eine gemeinsame Klärung
Ein Lehrling erschien zur Mediation und eröffnete im ersten Gespräch eher ratlos: „Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin.“ Im Betrieb wurde sein Verhalten bislang als „aufmüpfig“ und „unzufrieden“ wahrgenommen.
Im Verlauf der Mediation setzte der Mediator gezielt Methoden zur Erhebung der tatsächlichen Bedürfnisse ein. Erst dadurch wurde im Gespräch klar, dass der Lehrling sehr wohl engagiert war — mit dem Ziel, später den Meister zu machen und sich aktiv einzubringen. Dieses Bedürfnis war im Alltag bislang völlig missverstanden worden.
Ergebnis: Der Lehrling blieb im Betrieb, das Verhältnis wurde deutlich gestärkt — und beide Seiten entwickelten gemeinsam eine klare Perspektive für die weitere Ausbildung.
Auflösung und gelungener Abschluss — und doch ein neuer gemeinsamer Weg
Ausgangspunkt war bereits eine unterzeichnete einvernehmliche Auflösungsvereinbarung. Die Mediation sollte ursprünglich als letzte Chance bzw. als positives Offboarding gestaltet werden, um den Lehrling trotz der belasteten Situation respektvoll zu verabschieden.
Im Prozess zeigte sich jedoch, dass beide Seiten — trotz des zerrütteten Vertrauens — noch Bereitschaft und Potenzial für einen gemeinsamen Weg sahen. Durch die strukturierte Klärung in der Mediation wurde die unterschriebene Auflösung einvernehmlich zurückgenommen.
Es wurde vereinbart, dass der Lehrling bis zur Lehrabschlussprüfung (LAP) bleibt und man gemeinsam auf einen professionellen Abschluss hinarbeitet.
Ergebnis: Nicht nur bestand der Lehrling die LAP erfolgreich — er entwickelte sich seither wieder zu einem wertvollen und anerkannten Teil des Teams. Aus einem fast beendeten Lehrverhältnis wurde so ein tragfähiges neues Miteinander.
Hinweis:
Die dargestellten Praxisbeispiele wurden stark anonymisiert, um die Identität der beteiligten Personen und Betriebe zu schützen. Damit wird der Verschwiegenheitspflicht gemäß Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG) vollumfänglich entsprochen.
FAQ Lehrlingsmediation
In welchen Fällen ist Lehrlingsmediation sinnvoll?
Immer dann, wenn es im Lehrverhältnis zu erheblichen Spannungen, Kommunikationsproblemen, Leistungsfragen oder persönlichen Konflikten kommt. Mediation kann helfen, Klarheit zu schaffen und tragfähige Lösungen zu entwickeln — bevor es zur Eskalation kommt.
Ist Lehrlingsmediation nur sinnvoll, wenn eine Auflösung im Raum steht?
Nein. Mediation eignet sich bereits bei ersten Anzeichen von Konflikten und nicht erst, wenn eine Auflösung droht. Oft können dadurch Eskalationen vermieden und das Lehrverhältnis gestärkt werden.
Wer trägt die Kosten der Lehrlingsmediation?
Die Kosten trägt der Lehrberechtigte (also der Betrieb), unabhängig davon, wie die Mediation ausgeht.
Können auch Eltern des Lehrlings an der Mediation teilnehmen?
Ja. Bei minderjährigen Lehrlingen nehmen die gesetzlichen Vertreter:innen (meist die Eltern) teil. Auch bei volljährigen Lehrlingen kann — auf Wunsch — eine Vertrauensperson hinzugezogen werden.
Wie lange dauert eine Lehrlingsmediation?
Das ist unterschiedlich. Oft reicht eine Sitzung oder ein Prozess über wenige Wochen. Entscheidend ist, dass die Mediation formal abgeschlossen wird.
Die gesetzlichen Fristen sind zu beachten!
Was passiert, wenn der Lehrling nicht an der Mediation teilnimmt?
Die Pflicht zur Durchführung der Mediation bleibt bestehen. Wird der Lehrling ordnungsgemäß eingeladen und erscheint nicht, kann das Verfahren dennoch abgeschlossen werden.
Muss ich mich in der Lehrlingsmediation mit dem Lehrling einigen, um das Lehrverhältnis beenden zu können?
Nein. Eine Einigung ist nicht erforderlich. Laut § 15a BAG muss die Lehrlingsmediation durchgeführt und abgeschlossen sein. Danach kann der Lehrbetrieb das Lehrverhältnis — falls nötig — einseitig außerordentlich auflösen.
Was passiert, wenn in der Mediation keine Einigung erzielt wird?
Auch ohne Einigung gilt die Mediation als abgeschlossen. Der Lehrbetrieb kann das Lehrverhältnis dann — falls erforderlich — auflösen.
Was bringt eine Lehrlingsmediation dem Betrieb?
Sie hilft, rechtliche Sicherheit herzustellen, unnötige Konflikte zu vermeiden, Konflikte zu lösen und Lehrverhältnisse konstruktiv weiterzuführen — oder sauber und professionell zu beenden. Sie stärkt zudem das Image des Betriebs als fairer und verantwortungsbewusster Ausbilder.
Gilt in der Lehrlingsmediation eine Verschwiegenheitspflicht?
Ja — für den eingetragenen Mediator bzw. dessen Hilfspersonen.
Gemäß § 18 Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG) unterliegen der Mediator oder die Mediatorin sowie allfällige Hilfspersonen einer strengen Verschwiegenheitspflicht über alles, was ihnen im Rahmen der Mediation anvertraut oder sonst bekannt wird.
Diese Pflicht kann weder von den Parteien noch von einem Gericht aufgehoben werden.
Die Verschwiegenheitspflicht nach § 18 ZivMediatG gilt nur für Mediator:innen, die in der Liste des BMJ eingetragen sind, Mediator:innen die Mediation nur im Rahmen der Gewerbe Unternehmensberatung oder Lebens- und Sozialberatung ausführen gelten die Bestimmungen des ZivMediatG nicht!
Was kostet eine Lehrlingsmediation?
Bei uns ist der Ablauf klar kalkulierbar: Die Lehrlingsmediation kostet pauschal € 690,- zzgl. 20 % USt. (Stand 06/2025).
Darin sind die Vorbereitung, die Durchführung der Mediation und die formale Abschlussdokumentation enthalten.
Die Kosten trägt der Lehrberechtigte. Im Vergleich zu den Folgekosten eines abgebrochenen Lehrverhältnisses ist dies meist die deutlich wirtschaftlichere und sinnvollere Lösung.
Wie beauftrage ich eine Lehrlingsmediation als Firma?
Der Lehrberechtigte kann die Lehrlingsmediation direkt bei einer eingetragenen Mediatorin oder einem eingetragenen Mediator (gemäß ZivMediatG) beauftragen.
In unserem Fall genügt dazu eine formlose Anfrage per E-Mail oder Telefon.
Wie beauftrage ich eine Lehrlingsmediation als Lehrling?
Als Lehrling (oder gesetzliche:r Vertreter:in) kann man selbst keine Mediation nach § 15a BAG „beauftragen“.
Der Betrieb muss die Mediation aktiv einleiten.
Aber: Lehrlinge (oder Eltern) können jederzeit von sich aus eine Mediation anregen — etwa wenn sie Konflikte frühzeitig lösen möchten. In diesem Fall kann der Betrieb auch schriftlich über den Mediationswunsch des Lehrlings informiert werden.
Sollte ich vor oder während der Lehrlingsmediation eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen?
Das kommt auf die Situation an. Die Mediation selbst ersetzt keine Rechtsberatung.
Für weitere Fragen oder wenn Sie eine Lehrlingsmediation in Ihrem Betrieb einleiten möchten, stehen wir Ihnen gerne persönlich zur Verfügung:
office@my-mediator.at z.H. Patrick Hablesreiter-Veigl
Fazit: Lehrlingsmediation als Chance statt Klischeefalle
Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel können sich Betriebe kaum leisten, junge Talente vorschnell aufzugeben. Dennoch hört man oft Klagen: „Die GenZ will nicht mehr arbeiten“, „die Lehrlinge sind faul und respektlos“. Doch hinter vielen dieser pauschalen Urteile stecken ungelöste Konflikte, Missverständnisse und fehlende Kommunikation.
Mobbing, Unsicherheit, unklare Erwartungen oder ein schlechter Start ins Arbeitsleben verstärken diese Dynamik. Hier bietet Lehrlingsmediation die Chance, die Dinge beim Namen zu nennen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten.
Denn die Realität ist: Die meisten jungen Menschen wollen arbeiten — sie wollen aber auch respektvoll behandelt werden und verstehen, was von ihnen erwartet wird. Lehrlingsmediation hilft, diese Brücke zu bauen — bevor ein Lehrverhältnis scheitert und der nächste Fachkräftemangel am eigenen Schreibtisch spürbar wird.